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Charlotte Jacquemart, NZZ am Sonntag (zzs)

 

NZZ am Sonntag: Audi baut Pilotanlage für C02-neutralen Treibstoff

 

Der Autobauer will in Laufenburg synthetischen Treibstoff produzieren – und wartet nicht auf bessere Rahmenbedingungen.
 

Bis jetzt war es nur eine vage Idee gewesen, und Audi wollte warten, bis die Schweizer Politik die Weichen entsprechend stellt. Nun aber konkretisiert sich das Projekt, bevor die Schweizer Politiker optimale Rahmenbedingungen schaffen: Läuft alles nach Plan, könnte bis 2017 die erste kommerzielle Pilotanlage in der Schweiz für die Herstellung von synthetischem Treibstoff entstehen. Der deutsche Autobauer will die Anlage zusammen mit einem Schweizer Energieversorger, dem ETH-Startup Climeworks, und einem hiesigen Grossverteiler stemmen. Entstehen soll sie in Laufenburg am Rhein.

Die einzelnen Firmen, die mit Audi das Projekt realisieren, wollen zwar zum jetzigen Zeitpunkt keine Details verraten. Bei Audi aber bestätigt der Leiter der Abteilung erneuerbare Energien und Zukunftsmaterialien, Hagen Seifert, dass sich die Audi-Pläne für die Schweiz konkretisierten. «Wir wollen die Anlage einerseits errichten, um der Politik zu zeigen, dass die Herstellung von synthetischem Treibstoff bereits heute grosstechnisch funktioniert. Andererseits könnten wir mit der Anlage alle noch auftauchenden Fragen direkt vor Ort in der Schweiz klären.» Die Schweiz ist besonders attraktiv für Audi, weil es in unserem Lande genügend sauberen Strom gibt. Grünen Strom braucht der Autokonzern, um via Elektrolyse Wasserstoff zu generieren. Bringt man Wasserstoff mit CO2 zusammen, erhält man mithilfe von Energie die Basis für Treibstoffe wie Benzin, Diesel und Kerosin. Das C02 lässt sich dank einer Art C02-Kollektor, den Climeworks entwickelt hat, mit geringem Energieaufwand aus der Luft herausfiltern. In Norddeutschland betreibt Audi bereits eine Pilotanlage für CO2-neutralen Treibstoff, bei der Climeworks mit im Boot ist. Eine Tonne CO2 kommt dort mit der Kollektoren-Grossanlage auf etwa 100 Fr. zu stehen. Umgelegt auf den Liter Benzin, entspricht das einem Kostenanteil von etwa 20 Rp.

In der Schweiz freut sich der grünliberale Nationalrat Thomas Böhni über die Investition, die Audi in der Schweiz tätigen will. Böhni ist als Ingenieur auf erneuerbare Energien spezialisiert. «Die Pilotanlage wird als Leuchtturmprojekt Aufmerksamkeit auf sich ziehen.» Das gibt einer Motion, die Böhni jüngst eingereicht hat, Auftrieb. Der Vorstoss verlangt, dass die reduzierten C02-Emissionen aus synthetischem Treibstoff bei der Bemessung der Flottenemissionen angerechnet werden. Dem ist heute nicht so – anders als beispielsweise beim Biogas, das von einer solchen Regelung profitiert. Böhni erklärt, wieso ihm das wichtig ist: «CO2-neutrale synthetische Treibstoffe ermöglichen eine fast klimaneutrale Mobilität. Wenn die reduzierten CO2-Emissions-Werte im Rahmen der Flottenemissionsregelung nicht angerechnet werden können, behindern und bestrafen wir eine zukunftsträchtige Technologie.»

Dass Audi nun trotz der fehlenden Anrechnung in der Schweiz eine Pilotanlage bauen will, zeigt, wie ernst es dem Autokonzern ist. Böhni sagt, im Bundesrat finde sein Anliegen Gehör. «Niemand ist heute mehr gegen Innovation.» Unsicherheit herrsche in den Ämtern aber noch darüber, wie die Anrechnung konkret umgesetzt werden solle. Die Pilotanlage wird helfen, Wege zu finden.

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