„Der bayrische Rundfunk hat eine umfassende und ausgewogene Darstellung zum aktuellen Stand der Forschung und Diskussion über synthetische Treibstoffe in Europa verfasst. Empfehlenswert für alle, die sich einen Überblick verschaffen wollen.“
Quelle : https://www.br.de/nachrichten

Die sogenannten E-Fuels gehören zu der Gruppe der synthetischen Kraftstoffe. Synthese bedeutet das Zusammenbringen verschiedener Stoffe mit Energie, um daraus Benzin, Diesel oder Kerosin herzustellen. Mais, Raps, Abfall oder Dung als Rohstoffe für Kraftstoffe haben sich nicht durchgesetzt. Nun versucht man es mit Wasser und zerlegt es mit einem sogenannten Elektrolyseur in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff, den man noch mit Kohlendioxid anreichert. Was dabei herauskommt, nennt man E-Fuels, die mit ihrer gespeicherten Energie Verbrennermotoren antreiben können. Das gespeicherte Kohlendioxid entweicht dabei wieder in der gleichen Menge wie es aufgenommen wurde und das macht E-Fuels klimaneutral, wenn sie zuvor mit regenerativer Energie erzeugt worden sind.
Breite Meinung derzeit gegen E-Fuels
Die "Süddeutsche Zeitung" fasst in einer Analyse vom vergangenen Jahr die Argumente gegen E-Fuels so zusammen:
"Eine Menge Gründe sprechen gegen den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen: Es gibt kaum Produktionsanlagen, sie sind zu teuer, die Energieeffizienz ist vergleichsweise schlecht, der Stromverbrauch hoch. Deswegen gehen viele Experten nicht davon aus, dass sie sich im privaten Bereich gegen Elektroautos durchsetzen". SZ vom 02.10.2021 Dieser Argumentationslinie folgte das EU-Parlament weitgehend, der entscheidende EU-Ministerrat ließ aber eine Hintertür für E-Fuels offen, indem er die EU-Kommission beauftragte, bis 2026 einen Bericht zu erstellen, der sich mit Technologien wie Plug-in-Hybriden und CO₂-neutralen Kraftstoffen befasst.
Auch weil es bei solchen technologischen Grundsatzentscheidungen um viele Milliarden geht, positionieren sich nun in der Zwischenzeit die verschiedenen Interessengruppen. Während die E-Mobilitäts-Lobby für einen möglichst klaren Kurs Richtung Elektroauto wirbt, formieren sich auch europaerfahrene Kräfte, die E-Fuels nach vorne bringen wollen. In der "eFuel Alliance" finden sich Ex-Politprofis wie Ex-Umweltministerin und Greenpeace-Mitbegründerin Monika Griefahn oder der Hamburger Ex-Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Auch Ex-Bundespräsidenten-Sprecher Friedbert Pflüger unterstützt mit seinen Kontakten die Lobbyarbeit für E-Fuels und hat die Hauptbotschaft der Befürworter im Handelsblatt vom 5.7.2022 so formuliert:
"Wer...den Verbrenner schon jetzt mit einem 'Enddatum' versieht, stoppt seine technologische Weiterentwicklung, schadet dem Klima, gefährdet unzählige Arbeitsplätze in Europa, sorgt für die Abwanderung des in Deutschland und Europa einzigartigen Know-how und schafft neue, ungeahnte Abhängigkeiten." Friedbert Pflüger, eFuel Alliance
Argumente, die in Zeiten von Ukraine-Krise, Lieferkettenproblemen und stockendem Stromnetzausbau nicht einfach übersehen werden können. Wie stichhaltig sind sie wirklich ?
Energieeffizienz und Wirkungsgrad
Der Gesamtwirkungsgrad eines Autos, das mit E-Fuels fährt, wird zwischen 20 und 30 Prozent angegeben. Der Rest der Energie wird als Abwärme an die Umwelt abgegeben. Die Energieeffizienz eines Elektroautos wird dagegen mit 70 bis 80 Prozent beziffert. Selbst E-Fuel-Befürworter räumen ein, dass Elektromotoren um den Faktor 2,5 bis 3 energieeffizienter sind. Gleichzeitig verweisen sie jedoch auf die "Gesamtsystemeffizienz" die die Sonnen-und Windkraftleistung an verschiedenen Standorten mit einbezieht. Hier haben Standorte wie Patagonien oder Nordkanada mit kräftigen Winden große Vorteile, weil sie schneller und mehr regenerative Energien erzeugen, mit denen E-Fuels hergestellt werden. Betrachtet man nur den Energiestandort Deutschland mit relativ weniger Sonnenstunden und Wind, dann müsste Strom aus erneuerbaren Energien wegen seiner Knappheit so effizient wie möglich eingesetzt werden. Doch genau diese Knappheit gibt es in einem Drittel der Welt eben nicht. Und wo sauberer Strom im Überfluss fließt ist Effizienz kein Argument mehr gegen E-Fuels, sagen Befürworter.
Öko-Bilanz und Umweltverträglichkeit
E-Fuels haben gegenüber herkömmlichen Kraftstoffen wie Benzin, Diesel und Kerosin den Vorteil, dass sie keinen Schwefel und keine Aromate wie Benzol enthalten. Auch die Rußbelastung ist geringer. Die Frankfurter Motoren-Forscher Prof. Ulrich-Peter Thiesen und Ingo Behr nennen mit Blick auf das Verbrenner-Aus nach 2035 zudem ein ganz praktisches Argument:
"Bestandsfahrzeuge, die heute fast ausschließlich mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden, können durch den Betrieb mit nachhaltigen Kraftstoffen ganz erheblich zu einer schnellen CO2-Absenkung beitragen. Nur auf diese Weise ist es möglich, dass auch die auf dem Markt befindlichen Fahrzeuge ihren Beitrag zur Klimaneutralität leisten." Ulrich-Peter Thiesen und Ingo Behr
Vorteil: Tankstellen-Netz kann für E-Fuels genutzt werden
Hinzu kommt, dass zum Tanken theoretisch das bisherige Tankstellen-Netz genutzt werden kann. Das wirkt entlastend, wenn der Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Batterieversorgung - wie häufig befürchtet - nicht schnell genug voran kämen. Selbst VW-Chef Herbert Diess, ein großer E-Fuel-Skeptiker, hat das in einem SZ-Interview indirekt bestätigt, in dem er eine baldige Marktsättigung mit E-Autos wegen Batterieknappheit für unerreichbar hält und notgedrungen alte Verbrenner weiter fahren sieht.
Bleibt der Vorwurf, dass E-Fuels zumindest für das oft windarme und nicht immer sonnenverwöhnte Europa eher ungeeignet sind, wenn sie mit Wind-oder Sonnenstrom erzeugt werden sollen. Porsche-Einkaufschefin Barbara Frenkel widerspricht dieser These mit Verweis auf die firmeneigene E-Fuel-Anlage in Chile, wo im Landesteil Patagonien der Wind an rund 270 Tagen im Jahr bläst. Porsche investiert zunächst 20 Millionen Euro in die Anlage und will als Hauptabnehmer rund 130 000 Liter E-Fuels jährlich zunächst für Motorsportaktivitäten abnehmen. Der Energieaufwand für den Transport sei kein Problem, sagt Projektpartner Volkmar Pflug von Siemens Energy im ARD-Plusminus-Interview:
"Die klimaneutralen flüssigen Kraftstoffe haben hohe Energiedichte, sodass also die Transportkosten relativ gering sind (...). Zum anderen können wir ja auch die Schiffe mit diesem klimaneutralen Kraftstoffen betreiben und damit wird letztlich die gesamte Logistik entsprechend auch klimaneutral." Volkmar Pflug, Siemens Energy
Die Kosten
Noch ist die Herstellung allerdings aufwendig und teuer. Doch ein Markthochlauf der Produktion sowie eine günstige Preisentwicklung beim Strompreis könnten dafür sorgen, dass synthetisch erzeugte Kraftstoffe deutlich günstiger werden. Langfristig seien nach aktuellen Studien reine Herstellungskosten von 1,00 bis 1,40 Euro pro Liter möglich. Barbara Frenkel, Einkaufschefin bei Porsche, setzt auf Kostensenkungen durch Massenproduktion: "Wenn in einem industriellen Maßstab produziert wird, könnten die Kosten unter zwei Dollar pro Liter sinken". Wenn synthetische Kraftstoffe in größeren industriellen Anlagen produziert würden, könnte der Preis auf 1,10 Euro fallen. So die Schätzung des Unternehmens Chemieanlagenbau Chemnitz, das eine Pilotanlage in Freiberg in Sachsen betreibt.
Bei der Preisbildung an der Tankstelle hat aber der Steuerstaat das letzte Wort, denn je nach politischer Erwünschtheit können E-Fuels höher oder niedriger energiebesteuert werden. Wie sehr das herrschende Strompreisniveau die Kosten von E-Fuels beeinflusst, zeigt eine Meta-Studie des Karlsruher Instituts für Technologie. Bis rund 6 Euro-Cent pro Kilowattstunde Strom wie etwa in Russland, Saudi Arabien, Argentinien oder Indien liegt der Literpreis für E-Fuels zwischen 1,50 und 2 Euro. Erst mit sehr viel höheren Strompreisen, wie etwa in Deutschland, wird der Literpreis nicht mehr wettbewerbsfähig.
Das Dilemma der politischen Entscheider und der Industrie
Elektromobilität und E-Fuels für Verbrenner haben ein gemeinsames Problem. Sie bringen nur etwas, wenn der nötige Strom grün ist. Das ist momentan bei beiden Antriebsarten bei weitem nicht der Fall. Hinzu kommen die Grenzen der Physik. Denn die Debatte um E-Fuels darf nicht auf den Pkw-Verkehr beschränkt werden, der nur ein Ausschnitt aus der Motorenwelt ist. Traktoren, Erntemaschinen, schwere Bau- oder Arbeitsmaschinen und Nutzfahrzeuge werden in der Regel mit einer hohen Dauerleistung von mehr als 100 kW betrieben, in der Hochseeschifffahrt sogar um ein Vielfaches mehr. Klar scheint, dass hier auf absehbare Zeit keine Elektroaggregate einsatztauglich sein werden.
Genau aus diesen Gründen plädieren die japanischen Hersteller Toyota, Mazda, Subaru, Yamaha und Kawasaki für eine technologieoffene Weiterentwicklung von umweltfreundlichen Kraftstoffen und gegen eine Monokultur batteriebetriebener Elektroautos. China folgt diesem Kurs und hat kürzlich die Förderung von Verbrenner-Modellen zulasten von E-Autos erhöht.
Selbst die Bundesregierung fördert die Erforschung von E-Fuels im Rahmen der Initiative "Energiewende im Verkehr". Das darin enthaltene Verbundprojekt "Closed Carbon Cycle Mobility" (C3-Mobilitiy) soll neue Wege in die CO2-neutrale Mobilität aufzeigen. Zu den Projektpartnern gehören BMW, Volkswagen, Porsche, Opel und Hyundai, die Technische Universität Dresden, der Energiedienstleister RWE, der Antriebsentwickler FEV sowie das Mineralöl-und Erdgas-Unternehmen Shell.
Fazit: E-Fuels sind nicht tot, selbst wenn Europa sie für tot erklärt
Auch wenn in der deutschen Debatte E-Fuels meist als weitgehend nicht verfolgenswerte Technologie erscheinen, sind international mächtige Investoren dabei, Forschung und Entwicklung voranzutreiben. Saudi-Aramco, der größte Energiekonzern der Welt, betreibt zwei Pilotanlagen weltweit und agiert als Partner der Formel-1-Rennserie. In den kommenden zehn Jahren, so das ehrgeizige Ziel, soll das Programm mit Industriepartnern und Co-Finanziers auf den gesamten europäischen PKW-Bereich ausgeweitet werden. An HIF Global, dem chilenischen E-Fuel-Produzenten, ist Porsche beteiligt. Das Ziel ist Massenproduktion für den Weltmarkt. Mit Thorsten Herdan aus der Europa-Geschäftsleitung hat HIF einen führenden Energieexperten der Bundesregierung abgeworben. Er sagte kürzlich bei einer Podiumsdiskussion der FDP-Bundestagsfraktion: "Die Welt... wartet nicht auf Deutschland. Wir wollen diesen Markt bedienen, aber wenn ihr uns nicht lasst, dann finden wir andere Märkte."
Saudi-Aramco, weltweit größter Energiekonzern, hatte vor Investoren und Fachpublikum gestern dazu eine klare Botschaft: Wir Saudis können das, und zwar mit unserem konkurrenzlos billigen Wind-und Sonnenstrom von 1 Eurocent pro Kilowattstunde. Herauskommen sollen Literpreise von 80 Eurocent – allerdings vor Steuern.
Deutschland könnte mit E-Fuels, so Europachef Matthias Braun, zum Knowhow-Exporteur werden, mit seinen Raffinerien synthetische Kraftstoffe veredeln und seine Zulieferindustrie stützen, wenn Verbrennermotoren mit E-Fuels eine Zukunft haben.
Ein Billionenmarkt, so die Prognose von Saudi-Aramco, schon weil die Menge an Verbrennerautos in großen Teilen der Welt nicht schwinden, sondern im Gegenteil stark steigen wird.
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