Unter einem irreführenden Artikel ("Ölindustrie fordert Rabatt für Ökosprit") hat die Welt am Dienstag über eine kleine Revolution in Folge der Corona-Krise berichtet: ein gemeinsamer Appell von Mineralölwirtschaftsverband (MWV) und dem Hamburger Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO) an die Bundesregierung fordert die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene für eine „kluge und konsequente CO2-Bepreisung“ einzusetzen.

„Die Chancen für eine Weichenstellung, die Wirtschaftswachstum und mehr Klimaschutz verbindet, sind nach der Corona-Krise gegeben“, aber synthetische Kraftstoffe auf Wasserstoffbasis, sogenannte PtX-Produkte, und Biosprit lassen sich am Markt nur durchsetzen, wenn zugleich die Konkurrenzprodukte aus fossilem Erdöl teurer werden.
Die Branchenvertreter gehen in dem Appell davon aus, dass höhere Abgaben auf CO2-Emissionen im Verkehr die Verbraucher nicht zusätzlich belasten müssen. Eine Lenkungswirkung gebe es auch, wenn die CO2-Abgaben durch niedrigere Energiesteuern an anderer Stelle ausgeglichen werden.
„Daher sollte sich die Bundesregierung auf EU-Ebene im Rahmen des ,Green Deal’ für eine Umstellung der Energiesteuer in eine CO2-Bepreisung einsetzen“, so Küchen. „Das würde zum Beispiel bei Benzin bereits kurzfristig ein kräftiges Preissignal in der Größenordnung von 300 Euro pro Tonne CO2 ermöglichen, ohne die Verbraucher zusätzlich zu belasten.“ In Anbetracht der ökonomischen Herausforderungen könne es nicht darum gehen, Kraft- und Brennstoffe nur zu verteuern. „Wir müssen vor allem dafür sorgen, dass ihre Treibhausgasemissionen sinken“, erklärt Küchen. „Dies wäre durch eine konsequente Umstellung der Energiesteuern zu einem CO2-Bepreisungssystem möglich.“
Aus Sicht der Mineralölindustrie würde ein solches Modell auch international „sichtbare Investitionsanreize schaffen“ und damit einen Markthochlauf erneuerbarer Kraftstoffe unterstützen.
„Die Bundesregierung sollte sich zudem für die Anerkennung treibhausgasreduzierter Kraftstoffe im Rahmen der Flottenregulierung stark machen“, fordern Küchen und Willig. Ein Fahrzeug, das mit erneuerbaren Kraftstoffen betrieben wird, dürfe „nicht anderes behandelt werden als ein Elektrofahrzeug“. In diesem Punkt ist die Schweiz mit Art. 16 im neuen, kommenden CO2-Gesetz schon weiter.
Die von der deutschen Mineralölindustrie vorgeschlagene Umstellung der Mineralölsteuern auf eine CO2-Bepreisung von Kraftstoffen wird durch den Verfall der Rohölnotierungen begünstigt, da auch im Übergang keine Belastung der Verbraucher spürbar wäre. Der Grünen-Politiker und frühere niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel hatte bereits erklärt, bei niedrigen Ölpreisen gebe es „Luft nach oben“ für eine Anhebung von Energiesteuern, aus deren Einnahmen man unter anderem auch das Gesundheitssystem stärken könne.
Grüne und Umweltpolitiker stehen der Einführung von synthetischen Kraftstoffen eher ablehnend gegenüber, da sie darin eine lebensverlängernde Maßnahme für den Verbrennungsmotor sehen. Sie plädieren für eine radikale Umstellung auf Elektromobilität. Die Mineralölwirtschaft hält entgegen, dass sich allein mit Elektromobilität die deutschen CO2-Ziele im Verkehr bis 2030 nicht erreichen lassen: Selbst wenn es gelänge, zehn Millionen Elektroautos auf die Straße zu bringen, gäbe es einen Bestand von 35 Millionen Verbrennern. Zu klimafreundlichen Kraftstoffe gebe es keine Alternative.