In der neuen Auflage seines Buchs „Der Elektroautoschwindel“ erörtert Kai Ruhsert einen brisanten Gedanken, der offensichtlich noch niemandem in den Sinn gekommen ist.
Die Kernaussage lautet: Wenn Sonne, Wind und Wasser 100% unseres Strombedarfs in Europa decken, werden wir im Sommer gigantische Mengen an Überschussstrom produzieren, der irgendwie für den Winter gespeichert werden muss. Pumpspeicherkraftwerke werden dafür nicht ausreichen, wegen der zu geringen Energiedichte, die in ihnen steckt. Die einzige Alternative ist die Speicherung durch Umwandlung in chemische Energieträger, die eine enorm viel höhere Energiedichte besitzen. Diese werden dann im Winter verbrannt, um daraus erneut Strom zu machen. Elektroautos, deren Batterien im Winter aufgeladen werden, beziehen also keinen Strom direkt aus Sonne, Wind und Wasser, sondern aus der Verbrennung chemischer Energieträger, oder anders formuliert: aus der Verbrennung von Synfuels. Damit entfällt deren Effizienzvorteil zu 100% und Elektroautos sind kein bisschen effizienter als Verbrenner, die mit synfuel betankt werden.
Politisch gewollte Irreführung zur Wirtschaftlichkeit von Synfuels
Der langfristig knappe Ökostrom wird für notwendige Anwendungen reserviert werden. Die Energie für zusätzliche Luxusverbraucher wie E-Autos wird v.a. aus der Rückverstromung von Synfuels stammen. Damit entfällt der Wirkungsgradvorteil der Elektromobilität.
Die in Europa verfügbare Menge an Ökostrom wird bei weitem nicht ausreichen, um den unmittelbaren Bedarf zu decken und darüber hinaus genügend chemische Energieträger herzustellen. Das wird auch von solchen Studien bestätigt, die mit sehr optimistischen Annahmen eine Klimaneutralität gegen Mitte des Jahrhunderts für möglich erklären: „Ein Drittel bis zwei Drittel unseres Energiebedarfs werden wir nur durch Importe decken können – laut den “Big 5”-Szenarien mit 100% Erneuerbaren Energien.“
Der zur Schließung der Energielücke erforderliche Strom wird nur in sehr weit entfernten Ländern aus regenerativen Quellen gewonnen werden können. Doch wie kann diese Energie von dort nach Europa gelangen? Weder elektrischer Strom noch das Elektrolyse-Produkt Wasserstoff lassen sich über große Entfernungen wirtschaftlich transportieren. Somit bleibt nur die Möglichkeit, den Wasserstoff in den Erzeugerländern in besser transportierbare Energieträger umzuwandeln.
Das ist mit großen Nachteilen verbunden. Der Wirkungsgrad der Wasserstoff-Elektrolyse liegt bei 70 bis 80 %.*1 Nach der Weiterverarbeitung zu synthetischen Kraftstoffen ist bereits etwa die Hälfte der Energie verloren*2. Auf der anderen Seite gibt es aber einen großen Vorteil: Die volumetrische Energiedichte von Synfuels ist wesentlich höher. Ein Liter Benzin enthält 3,7 mal so viel Energie wie ein Liter flüssiger Wasserstoff.*3 Entsprechend weniger Schiffe, Pipelines, Hafen-, Lager- und Verarbeitungskapazität werden benötigt – die zudem in den Abnehmerländern bereits existieren: Synfuels können weitgehend mit vorhandener Infrastruktur transportiert, weiterverarbeitet und verbraucht werden.
Der in fernen Ländern per Elektrolyse gewonnene Wasserstoff wird daher vor dem interkontinentalen Transport in Methan, flüssige Kohlenwasserstoffe oder Ammoniak umgewandelt werden. Wasserstoff hingegen wird in Europa zur Vermeidung der Transportkosten möglichst nicht importiert, sondern vor Ort produziert werden. Reicht der Strom aus eigener EE-Kapazität nicht aus, so wird man Synfuels rückverstromen müssen – wie auch zur Überbrückung von Dunkelflauten.
Wirkungsgrad und Ausbeute
Gegen Synfuels wird häufig eingewandt, die Umwandlungsverluste wären viel zu hoch. Das verleitet manche Vertreter der Wissenschaft zu Kommentaren wie diesen: „Darum kommen beim Antrieb mit E-Fuels je nach Schätzungen nur mehr 10 Prozent oder wenig darüber am Rad an. Professor Fichtner rechnet, dass für die Herstellung von einem Liter E-Diesel aus CO2 und Wasserstoff 27 kWh Strom nötig sind. Damit fahren selbst große E-SUV mehr als 100 Kilometer weit. Sparsame E-Autos kommen mit der Energiemenge, die im E-Diesel steckt, 10 mal weiter.“*4
Fichtners Zahlenangaben sind in etwa zutreffend, und seine Argumentation wirkt auf den ersten Blick überzeugend. Der Leser gewinnt den Eindruck, es ginge um einen Vergleich zweier möglicher Verwendungen für den hierzulande erzeugten Grünstrom. Mit 70 bis 80 % Wirkungsgrad scheint das Elektroauto dabei unschlagbar gut abzuschneiden. Die Verwendung als E-Fuel bedeutet demgegenüber eine lange Kette von Umwandlungen: Der Strom wird unter großen Verlusten zunächst in Wasserstoff und dann in E-Fuel umgewandelt. Damit wird schließlich ein Verbrennungsmotor betrieben, der je nach Betriebszustand weit über 60 % des Kraftstoffs als Wärme vergeudet. Fichtner will den Leser glauben machen, E-Fuels wären Energieverschwendung.
Schaut man jedoch etwas genauer hin und hinterfragt die Herkunft des Ladestroms, kommen Zweifel auf. Tatsächlich wird noch für Jahrzehnte kein grüner Überschussstrom für die Elektromobilität zur Verfügung stehen. Der Strombedarf eilt der Produktion aufgrund der vielen Elektrifizierungsprojekte voraus. Mit zunehmendem EE-Ausbau wird es zwar kurzzeitig und vorübergehend immer häufiger vorkommen, dass mehr Grünstrom erzeugt als zu diesem Zeitpunkt von Endverbrauchern nachgefragt wird. Auch diese Energie wird man jedoch, soweit möglich, zur Herstellung des knappen Wasserstoffs nutzen müssen.
Zusätzliche elektrische Energie zur Versorgung neuer stromverbrauchender Produktgruppen (wie E-Autos) und zur Überbrückung von Dunkelflauten wird daher nicht anders als heute von Wärmekraftwerken geliefert werden. Diese werden mit importierten Synfuels gespeist werden.
Der Strom zur Aufladung von E-Autos wird also überwiegend aus der Rückverstromung von Synfuels stammen.
Bei der Betrachtung des Gesamtsystems gehen die Umwandlungsverluste der Synfuelherstellung gleichermaßen in die Energieeffizienzen von E-Auto und E-Fuel-Verbrenner ein. Und da dem schlechten Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors ein etwa ebenso schlechter Wirkungsgrad der Kette von Wärmekraftwerk, Stromübertragung und Lademanagement gegenübersteht, lassen sich dem E-Auto auch auf lange Sicht keine Effizienzvorteile gegenüber dem mit E-Fuels betriebenen Verbrenner zuschreiben. Sinnvolle Aussagen zur Effizienz von E-Fuels setzen zudem voraus, die Standortabhängigkeit der Erträge von Photovoltaik- und Windrad-Anlagen zu berücksichtigen. Über die Eignung von Standorten informiert z.B. der PtX-Atlas des Fraunhofer IEE. Die Unterschiede sind erheblich:*5

Identische PV-Anlagen liefern in Nordafrika mehr als doppelt so viel Strom wie in Deutschland, was einen großen Teil der Umwandlungsverluste kompensiert.
Korrekte Well-to-Wheel-Betrachtungen entkräften die Effizienzvorbehalte gegen PtL daher weitgehend, wie ein Vergleich der zu installierenden PV-Leistungen auf einen Blick zeigt:
„Der Betrieb eines Pkw mit grünem PtL erfordert rechnerisch eine PV-Kapazität von 6 kW in Nordafrika, ein Pkw mit Batterie mit 5,7 kW fast ebenso viel in Deutschland.“ *6
Bei der Betrachtung des Gesamtsystems kommt es letzten Endes nur auf die Gesamtkosten an. Thomas Korn, Gründer des Unternehmens KEYOU, hat dies prägnant zusammengefasst:
„Man muss Energieeffizienz differenziert betrachten. Die Sonne strahlt für den Menschen nutzbare Energie ab, die den aktuell weltweiten Energieverbrauch um das fünftausendfache übersteigt. Nutzt man nur ein Prozent der weltweit vorhandenen Wüstenflächen, um z.B. Solarthermie-Anlagen zu betreiben, kann bereits der aktuelle gesamte Energiebedarf erzeugt werden. Energie ist der einzige Rohstoff, den wir 24/7 kontinuierlich von außerhalb unseres Planeten geliefert bekommen – und das für uns unvorstellbare, fast unendliche Zeit. In den richtigen Breitengraden zeigen erneuerbare Energien bereits heute niedrigere Energieentstehungskosten, als dies bei konventionellen Kohle-Kraftwerken, oder bei der Nutzung von Erdgas oder Atomenergie der Fall ist.“* 7
Die Kostenfrage gilt vielen Experten als geklärt:
„Werden die Kosten der Elektromobilität für die Subventionierung von synthetischen Kraftstoffen aus erneuerbarer Produktion in sonnenreichen Ländern verwendet, lassen sich bis 2030 in Deutschland nahezu 600 Mio. t CO2 einsparen, was einem signifikanten Beitrag zur CO2-Reduktion entspricht. Ab Anfang der dreißiger Jahre könnten synthetische Kraftstoffe Kostenparität erreichen, wodurch sich der gesamte deutsche Verkehrssektor auf synthetische Kraftstoffe umstellen ließe.“ *8
Damit steht die Bedeutung von Synfuels für die weitere Energiewende außer Frage:
Es wird weitaus mehr Grünstrom benötigt werden, als hierzulande produziert werden kann, und Energie wird in großen Mengen wirtschaftlich nur in Form von Synfuels importiert werden können
Solange keine hinreichend großen Stromspeicher existieren, ermöglicht die Rückverstromung von Synfuels in Wärmekraftwerken Versorgungssicherheit (Kernkraftwerke leisten das auch, werden in den DACH-Ländern aber politisch blockiert)
Bestandsfahrzeuge können nur mit Synfuels entfossilisiert werden
Die Energiewende wird daher nur gelingen, wenn Europa im fernen Ausland Synfuel-Produktionskapazitäten errichtet. Die Politik versucht dies bislang nach Kräften zu verhindern, indem mit Synfuels betriebenen Fahrzeugen die Einstufung als klimaneutral verweigert wird. Ohne dieses Marktsegment fehlt ein wichtiger Anreiz für Investitionen im großtechnischen Maßstab.
Erste Unternehmen setzen sich über diesen Widerstand hinweg und handeln schon heute:
„Porsche baut in Chile eine Pilotanlage für E-Fuels auf. Schon 2022 sollen die E-Fuels eingesetzt werden. … Das anfangs kleine Volumen der Anlage von 130.000 Litern bis Ende 2022 soll innerhalb der folgenden zwei Jahre so weit hochgefahren werden, dass bis dahin 55 Millionen Liter synthetischen Kraftstoffs produziert werden. Bis 2026 wollen die Partner gar mehr als die zehnfache Menge herstellen.“ *9
Im April 2022 erschíen die zweite Auflage meines Buches „Der Elektroautoschwindel“. Dies ist ein Auszug aus dem neuen Kapitel „Ausblick in die Zukunft“.
Kai Ruhsert, 20. März 2022
Quellen:
Die Hauptquelle: https://derelektroautoschwindel.wordpress.com/
1 https://www.energie-lexikon.info/elektrolyse.html
2 https://www.now-gmbh.de/wp-content/uploads/2021/08/EPP_Abschlussbericht.pdf
8 https://www.sac-group.eu/mobility-germany/